Hochsensibilität und die Angst vor verbaler Konfrontation

Hochsensibilität und die Angst vor verbaler Konfrontation
Nicole Lindner
Ein Beitrag von Nicole Lindner

(nl-db067-b02) Die Angst vor verbaler Konfrontation hat viele Gesichter, die meisten davon sind unbequem. Besonders Menschen, die von Hochsensibilität betroffen sind, tun sich oft schwer, Konfliktgespräche zu führen. Ihre Befürchtung: Sie könnten abgelehnt werden oder gar einen Streit verursachen. Lieber behalten sie stattdessen ihre Meinung für sich – nicht selten auf Kosten des eigenen Wohlbefindens. Doch was steckt eigentlich hinter diesem Verhalten und wie lässt sich das Dilemma lösen?

Hochsensible empfinden Angst stärker

Ein Gefühl wie Angst wirkt sich auf feinfühlige Menschen intensiver aus als auf andere, das ist ganz einfach Fakt. Der große Knackpunkt:

Zurückhaltende Menschen kommunizieren grundsätzlich weniger, weil sie einfach nicht das Bedürfnis danach haben.

Dementsprechend können sie diese Fähigkeiten nicht so häufig wie andere trainieren und haben deshalb manchmal Schwierigkeiten, sich angstmachenden Situationen zu stellen.

Hinzu kommt, dass bei leisen Menschen sowieso wesentlich mehr im Inneren stattfindet als im Äußeren, das heißt, sie denken mehr über die Dinge nach und reflektieren gründlich. Dabei bleibt es nicht aus, dass Ängste möglicherweise einen größeren Stellenwert bekommen. Im schlimmsten Fall verhindert dies angstlösende Aktivitäten, wie zum Beispiel ein klärendes Gespräch.

Ebenfalls ausschlaggebend: Feinfühlige sind sehr sicherheitsbedacht und gehen nur mit großer Überwindung Risiken ein. Bei einem Konfliktgespräch gibt es leider immer ein Risiko, dass das Gespräch außer Kontrolle geraten könnte – selbsterklärend ein absolutes No-go für alle Sicherheitsbedachten.

Ein Konfliktgespräch bedeutet für zurückhaltende Menschen in Normalfall also hauptsächlich eines: STRESS!

Die gute Nachricht: Solltest du dieses Problem ebenfalls haben, kannst du deiner Angst begegnen, selbst wenn du ein eher bedachter Mensch bist. Die schlechte: Dafür musst etwas dafür tun – und das läuft eher nach dem Motto „Augen zu und durch“. Hierzu brauchst du richtig viel Mut, weil es das Verlassen der eigenen Komfortzone bedeutet. Trotzdem gibt es ein paar Tricks, wie du diese anstrengende Situation besser handhaben kannst.

Was dir in einer angstauslösenden Situation helfen kann

Nehmen wir uns hierfür ein Beispiel zur Hand: Du hast eine eigentlich nette Arbeitskollegin, mit der es aber schon seit einiger Zeit nicht mehr so richtig läuft. Immer wieder herrscht dicke Luft zwischen euch und eure Arbeit leidet darunter. Das belastet dich enorm, weil du sehr harmoniebedürftig bist. Trotzdem traust du dich einfach nicht, die Sache zu klären – die Angst vor einer Ablehnung und einem möglichen Streit ist zu groß.

Wenn dir eine gute Arbeitsbeziehung wichtiger ist als die Angst vor Konfrontation, wirst du es wahrscheinlich trotzdem irgendwann wagen, dich diesem unangenehmen Gespräch zu stellen.

Damit du das aber mit deutlich weniger Angst im Gepäck tust, bereite dich am besten gut vor. Mein Rat: Bewaffne dich mit Zettel und Stift und beantworte die nachfolgenden Fragen schriftlich – du wirst sehen, es lohnt sich!

4 Fragen gegen die Angst vor verbaler Konfrontation

  1. Bin ich sicher, dass das wovor ich Angst habe auch tatsächlich passiert?

Am Beispiel deiner Kollegin könntest du zu dem Schluss kommen, dass du nicht mit absoluter Sicherheit weißt, wie sie reagieren wird, wenn du sie auf das Problem ansprichst. Natürlich kann es sein, dass sie ärgerlich ist, vielleicht aber ist sie sogar froh, dass du das Thema endlich zur Sprache bringst.

  1. Wie gehe ich damit um, wenn meine Befürchtungen wahrwerden?

Wenn deine Kollegin nach dem Gespräch im schlimmsten Fall beleidigt ist, wird das sicherlich belastend sein aber die Chancen stehen gut, dass sie sich nach einiger Zeit wieder beruhigt. Bedenke: In einer guten Arbeitsbeziehung sollte es grundsätzlich möglich sein, Probleme offen anzusprechen und gemeinsam zu lösen. Alles andere zieht alle Parteien runter und macht die Zusammenarbeit zur Zerreißprobe.

  1. Kann ich etwas tun, damit meine Befürchtungen sich nicht bewahrheiten?

Vielleicht plagt dich ja die Angst, dass ihr euch anschreit und eine konstruktive Klärung der Situation nicht möglich ist. Mein Tipp: Gerade in Konfliktgesprächen gibt es eine wunderbare Möglichkeit, das zu verhindern. Hierbei gilt: Die Art, wie und in welchem Ton man etwas anspricht kann ein schwieriges Gespräch immer sehr positiv beeinflussen (Stichwort „Gewaltfreie Kommunikation“). Gerade feinfühlige Menschen sind hier oft sehr begabt, die richtige Formulierung zu finden.

  1. Was habe ich davon, wenn ich mich meiner Angst stelle/nicht stelle?

Wenn du nicht ansprichst, was dich belastet könnte sich immer mehr Frust aufstauen, was die Fronten immer weiter verhärtet. Stellst du dich dem Problem, habt ihr beide eine gute Chance auf einen Neuanfang und ein positives Miteinander in der Zukunft.

Mit diesen vier Fragen und deren Beantwortung stellst du dich deinen Befürchtungen. Findest du dabei heraus, dass der Wunsch nach einer unbelasteten Beziehung größer ist als die Angst, hast du ein Mehr an Handlungsfreiheit, was dir vieles im Leben erleichtern wird. Was jetzt kommt ist die praktische Umsetzung:

Fasse dir ein Herz, gehe mutig auf deine Kollegin zu und stelle dich dem Gespräch.

In diesem Sinne: Viel Erfolg beim Angstbekämpfen!

Nicole Lindner, www.meinweg-deinweg.de,
Autorin von „Feinfühligkeit trifft auf Berufsleben“

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5 Kommentare

  1. Wie geht ihr mit eurer Mutter um, die euch nicht guttut . Haltet ihr konsequent Abstand oder geht ihr, weil es eben die Mutter ist, regelmässig in Kontakt ( Kommunikation) und seid danach total gestresst.
    Ich habe bisher keinen Kommunikationsstil mit schwierigen Menschen gefunden, der mich nicht total belastet.

  2. Genauso erging es mir als ich noch nicht wusste dass ich und was überhaupt HSP ist…Ich dachte mir immer „die verstehen mich nicht, es ist als ob ich eine komplett andere Sprache spreche….

  3. Ich habe in Konfliktgesprächen oft den Eindruck, nicht verstanden zu werden. So als würde ich eine andere Sprache sprechen. Oft empfindet mein Gegenüber überhaupt keinen Konflikt. Da ich dann auch so unglaublich emotional bin, ist es sehr schwierig meine Gedanken zusammen zu halten. Zuhören oder sachliches Argumentieren funktioniert dann gar nicht mehr. Mein Stresslevel ist dann so hoch, dass Nichts mehr geht. Zusätzliche negative Erfahrungen nach solchen Gesprächen lassen mich immer öfter schweigen.

    1. Liebe Lisbeth, genauso geht es mir auch. Als ob ich eine andere Sprache spreche… und das raubt mir so viel Energie und macht mich immer unsicherer

  4. Das Problem ist eher, dass ich im Gespräch plötzlich nicht mehr weiß, was genau war. Selbst, wenn es ansonsten immer in meinem Kopf und im Denken ist. Darum bin ich in Gesprächen immer der Verlierer.

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