Resilienz – ein wichtiger Lebensfaktor für Hochsensible

(ls-db066-b1) Resilienz ist die psychische Widerstandskraft eines Menschen. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen, von resilire und bedeutet zurückspringen, abprallen. Besonders in der Gruppe von hochsensiblen Menschen zeigt sich ein besonders hoher Faktor bei der psychischen Widerstandsfähigkeit. Damit ist Resilienz ein wichtiges Lebensthema besonders für Hochsensible.

Lore Sülwald
Ein Beitrag von Lore Sülwald

In Gruppen die durch Krisen, Katastrophen, Gewalt in der Kindheit oder eine allgemein schlechte Versorgung, besonders gefährdet sind,P im Erwachsenenalter selbst Täter oder Opfer von Gewalt zu werden oder ein chaotisches Leben zu führen, gibt es Menschen, die sich anders entwickeln. Es gibt immer eine kleine Gruppe von Menschen, die sich trotz dieser Ereignissen gut entwickeln und scheinbar gestärkt aus ihnen hervorgeht. Diese Menschen bleiben psychisch gesund und sind in der Lage geregelte Tages- und Arbeitsabläufe zu leben, liebevolle Beziehungen zu führen, erfolgreich im Berufsleben zu sein und in der Lage persönliches Glück zu empfinden.

Mit einem ganzheitlichen Blick auf den Menschen, ist das psychische Immunsystem ebenso wichtig wie unser körperliches Immunsystem. Gehen wir davon aus, dass unsere Psyche unser körperliches Wohlbefinden und unsere Gesundheit beeinflusst, dann ist es besonders ratsam sich mit dem seelischen Wohlbefinden zu beschäftigen.

Kann man Resilienz lernen?

Ähnlich, wie wir etwas für ein gutes körperliches Immunsystem tun können, wie zum Beispiel genügend Schlaf, gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung, gibt es Möglichkeiten aktiv unser psychisches Immunsystem zu pflegen.

In Studien hat man herausgefunden, dass besonders resiliente Menschen über bestimmte Faktoren in ihrem Leben verfügen, die ihnen ermöglichen, bestärkt aus schwierigen Lebenssituationen und Krisen hervorzugehen. Resiliente Menschen finden Möglichkeiten mit diesen Situationen umzugehen und Lösungen zu finden.

Resilient zu sein, bedeutet nicht ununterbrochen Stress auszuhalten, die eigenen Belastbarkeitsgrenzen unendlich auszudehnen oder ununterbrochen arbeiten zu können. Resilient zu sein bedeutet eine Krise als Krise zu empfinden und Schmerz, Trauer, Stress und Ohnmacht zu fühlen. Allein der Umgang mit diesen Stressoren und die Fähigkeit eine notwendige Selbstwirksamkeit zu fühlen und umzusetzen, macht resiliente Menschen aus. Die Art wie man eine Situation betrachtet und für sich selbst bewertet, was wir aus ihr lernen, ist entscheidend.

Hochsensibel bedeutet anders belastbar zu sein

Viele hochsensible Menschen haben das Gefühl nicht belastbar genug zu sein. Sie bekommen im Vergleich mit anderen Menschen leicht das Gefühl weniger produktiv und schneller erschöpft zu sein. Man geht davon aus, dass hochsensible Menschen ungefähr das 10-fache an Reizen wahr- und aufnehmen. Das bedeutet, die tägliche Belastung einer hochsensiblen Person ist zehnmal so hoch, wie die des nicht-hochsensiblen Kollegen, Partners oder Nachbarn.

Ich stelle mir immer zwei gleich große Gefäße dazu vor. Wenn in eines von diesen zwei Gefäßen mehr eingefüllt wird, ist dieses eine selbstverständlich schneller voll. Und darum es ist ganz natürlich, dass sie als hochsensibler Mensch andere Pausenzeiten und Strategien benötigen, um wieder aufnahmefähig zu sein. Sie sind einfach nur anders belastbar, aber sicherlich nicht weniger als andere. Darum ist es kein Wunder, dass hochsensible Menschen im Schnitt häufiger über die positiven Einflussfaktoren von Resilienz verfügen, ohne es selbst zu bemerken.

Verschiedene Modelle zu Resilienz

Es gibt verschiedene Modelle zur Resilienz. Bei meiner Literaturrecherche bin ich auf verschiedene Analysen gestoßen. Mal sind es fünf, mal sieben oder acht Faktoren, die resiliente Menschen in ihrem Leben integriert haben. Ich habe mich für ein Modell mit acht Faktoren entschieden. Angelehnt an meine Erfahrungen aus der Praxis und die wiederkehrenden Themen in meinen Einzelcoachings.

Ich bin der Meinung, dass es bei Konzepten darum geht inspirierende Hinweise für den Alltag zu erhalten. Ein ausgeglichenes, entspanntes und resilientes Leben zu führen ist höchst individuell, persönlich und veränderlich. Sich selbst gut zu kennen ist die Grundlage für eine erfolgreiche Selbstfürsorge. Das schafft Raum für eine bewusste Lebensgestaltung.

Diese Einflussfaktoren unterstützen die psychische Widerstandsfähigkeit:

1. Optimismus und positive Selbsteinschätzung

  • Positive Weltsicht
  • Positives Selbstbild
  • Realistischer Optimismus

2. Akzeptanz und Realitätsbezug

  • Akzeptanz des Unabänderlichen
  • Selbstakzeptanz und Selbstannahme
  • Annahme der eigenen Grenzen und Ressourcen

3. Lösungsorientierung und Kreativität

  • Optionen entwickeln
  • Kreatives Denken
  • Fokus liegt auf der Lösung

4. Selbstregulation und Selbstfürsorge

  • Bewusstsein und Achtsamkeit für Emotionen und Gedanken
  • Impulssteuerung und Impulskontrolle
  • Selbstmotivation und -beruhigung

5. Selbstverantwortung und Entschlossenheit

  • Gestalter sein – raus aus der Opferrolle
  • Schuldgefühle, Schuldzuweisungen loslassen
  • Situationen selbstkritisch hinterfragen und den eigenen Anteil anerkennen

6. Beziehungen gestalten und Netzwerke pflegen

  • Empathie und echtes Interesse an anderen
  • Teil einer (hochsensiblen) Gemeinschaft sein, Engagement
  • Unterstützung anbiete und um sie bitten

7. Zukunftsgestaltung und Visionsentwicklung

  • Kurzfristige und langfristige Ziele entwickeln
  • Auf Lebensträume ausrichten
  • Alternativen überlegen und Resümee ziehen

8. Improvisationsvermögen und Lernbereitschaft

  • Gelegenheiten des Lebens wahrnehmen und kreativ nutzen
  • Raum für Lernprozesse: neue Denk- und Verhaltensmuster entwickeln
  • Reflexion über bisherige Erfolge

Menschen, die besonders resilient sind, können auf diese Fähigkeiten in schwierigen Situationen zurückgreifen. Dies ermöglicht ihnen bewusst durch die Krise oder besonders stressvolle Zeiten zu gehen und Lösungen zu entwickeln.

Im Alltag unterstützen uns das Wissen um die eigene Selbstwirksamkeit und deren Grenzen, so dass wir achtsam und vorbeugend auf Stress und außerordentliche Situationen reagieren können. Jeder Mensch ist anders und einzigartig, deswegen benötigt jeder Mensch etwas anderes in einer bestimmten Situation. Es gibt nur individuelle Lösungen. Befreien wir uns von Standarten, dann finden wir Lösungen für unsere individuelle Situation und Persönlichkeit.

Lore Sülwald, systemischer Coach, Netzwerkmitglied für Berlin
www.coachingbaum.de

Zurück zur Beitragsübersicht

Ähnliche Beiträge

3 Kommentare

  1. Ich freue mich über diesen Bericht, da er uns wieder die positiven Seiten zeigt, die die Hochsensibilität mit sich bringen kann. Herzlichen Dank dafür.
    Ich weiß seit ein paar Jahren, dass ich hochsensibel bin, davor dachte ich mein ganzes Leben bis dahin, mit mir stimme einfach was nicht.
    Vor 30 Jahren habe ich meine Mutter (ich war knapp 20) 3 Monate intensiv begleitet, nachdem sie eine Krebsdiagnose erhielt. Krankenhaus, ich war 8 Wochen neben Ausbildung, Haushalt für mich und 2 Brüder regeln, täglich im Schnitt 6-8Std bei meiner Mutter im Krankenhaus, ich weiß nicht, wie ich das schaffen konnte 9 Jahre später war sie wieder erkrankt, diesmal war absehbar, dass sie stirbt. Wieder war ich so fokussiert und klar, alles zu regeln, meine Brüder waren nicht in der Lage, Krankenhaus, Behörden, Besuche, dann Beerdigung, etc.
    Hat das auch mit Resilienz zutun, den Durchblick sehr fokussiert zu haben, stark zu sein ohne zu verdrängen, wie schlimm die Situation ist? Das würde mich mal interessieren. Danke für mögliche Antworten. Liebe Grüße Claudia Perzl

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert