Hochsensibel durch die Feiertage
(Von Friederike Hüsken) Die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel rücken näher und damit auch viele Sorgenfalten und Grübelgedanken von Hochsensiblen.

Die Vorweihnachtszeit ist für viele die schönste Zeit des Jahres. Doch Weihnachtsmarktbesuche, Familientreffen, Weihnachtsfeiern und Geschenke-Shoppen sind für viele Hochsensible eher Stressoren, Überreizungsfallen und mit viel Erwartungsdruck verbunden.
Doch warum sind die Feiertage (nicht nur – aber vor allem) für hochsensible Menschen so herausfordernd?
Ein wesentlicher Punkt ist der Zeit- und „Orgadruck“: 1000 Dinge wollen vor Jahresende noch erledigt werden: Jahresabschlüsse, Kündigungen und Anträge bis hin zum Autoversicherungswechsel.
Hochsensible Menschen schenken eher selten einfach Gutscheine oder Geld.
Und Weihnachtskarten wollen geschrieben, wenn nicht sogar selbst gestaltet werden.
Und die Adventszeit hat meistens eben nur zwischen 22 und 28 Tage.
Hochsensible Menschen versuchen sich eher zu zerreißen, als es nicht allen recht zu machen.
Nicht selten wird mehr Zeit auf der Autobahn verbracht als beim eigentlichen Besuch, um alle unter einen Hut zu bekommen und damit sich niemand vernachlässigt fühlt. Dabei ist das Harmoniebedürfnis so groß wie der Erwartungsdruck.
Auch die Gesellschaft hat ein bestimmtes Bild von Weihnachten aufgebaut, was es zu erfüllen gilt:
„Das Fest der Familie und der Liebe – Weiße Weihnacht und teure Geschenke unter dem schön geschmückten Weihnachtsbaum.“
Es wird „bestraft“, wer gegen diese Konvention verstößt.
- Was ist aber, wenn die Familie über das Land verstreut wohnt oder zerstritten ist?
- Wenn die Erinnerungen an vergangene Festtage eher Schmerz als Vorfreude auslösen?
- Wenn das Geld nicht für Geschenkeberge und Festessen reicht?
- Wenn dysfunktionale Familiensysteme alle Jahre wieder zusammenkommen und nach ein paar Stunden schon der erste Streit entsteht?
- Wenn es halt nicht „perfekt“ ist?
Hinzu kommt, dass hochsensible Menschen durch ihre Feinfühligkeit den Stress, die Hektik und das Unwohlsein ihrer Mitmenschen aufnehmen.
Auch das Nicht-Authentische (Besinnlichkeit auf Krampf, Gottesdienst weil es „dazu gehört“, schöne heile Welt-Spielen“) wird aufgenommen und führt zu Irritation und Unwohlsein.
In letzter Konsequenz sucht der hochsensible Mensch dann die Verantwortung wieder bei sich selbst, warum er das alles nicht aushalte, er übrigens viel zu sensibel sei und es wäre ja auch nur einmal im Jahr.
Die vollgestopften Geschäfte, das quietschbunte Blinken, die glitzernde Deko und das Gedudel von lauter Musik tut nach 5 Minuten Weihnachtsstimmung ihr Eigenes zur Überreizung.
Im Jahreskreis ist es eigentlich die Zeit des Rückzugs und der Einkehr.
Das Gegenteil wird jedoch gemacht – auf Kosten der eigenen Bedürfnisse.

Diese besondere Zeit im Jahr kann für Hochsensible eh schon herausfordernd sein. Die Dunkelheit, die sterbende Natur, die Zeitqualität in der Tod und Sterben ihren Platz haben, wird gespürt.
Die Bilanz des alten Jahres will gezogen werden und auch die Raunächte stehen vor Tür, die für viele Hochsensible spürbare Veränderungen und Einfluss haben (auch wenn sie sie nicht bewusst begehen).
Doch stattdessen wird die Zeit gefüllt mit Sorgen, wie wo wann wer wen besuchen kann und welche Beilagen es gibt.
Da ist grundsätzlich nichts dran auszusetzen. Der Perfektionismus und das hohe Verantwortungsgefühl mit dem sich viele Hochsensible herumschlagen, sorgt allerdings dafür, dass solche Dinge im Außen die meiste Energie zugewendet bekommen.
Dabei ist Weihnachten ein Gefühl, es lebt von Freude – nicht von Perfektion.
Was kann also helfen, ent-spannter durch die Weihnachtzeit zu kommen?

Ein paar kurze Impulse, die helfen (können)
- (Unrealistische) Erwartungen loslassen: Erwartungen klären und anpassen (braucht am Anfang etwas Mut aber es lohnt sich)
- Perfektionismus und Organisation: Welcher Glaubenssatz ist da in mir aktiv?
- Muss alles selbst gekocht/gebacken sein? Was kann ich delegieren? Wenn es schwer fällt, warum fällt es schwer?
- Puffer und Pausen einbauen (Ruheoasen finden, was ist für mich Weihnachtsstimmung? Musik, Plätzchen, Kirche, Filme …)
- Traditionen überprüfen: was ist m i r wichtig? Welche Tradition will ich loslassen oder neu beginnen? Bsp: wenn alle in die Kirche wollen, ist die Uhrzeit diskutierbar? Gibt es vegetarische Alternativen zur Gans – außer nur Beilagen?
- Klare Kommunikation/ klare Absprachen (Ich habe das Bedürfnis/die Grenze …) Viele HSP tun sich schwer, wenn der Satz mit „ich will/ich will nicht anfängt 😉
- Rückzugsmöglichkeiten bei Besuchen einplanen (Spaziergang, Powernap o.ä.)
- Stoßzeiten meiden (z.B. auf dem Weihnachtsmarkt)
- Das Recht wahrnehmen, die eigene Meinung ändern zu dürfen
- Bei Besuchen ein Stück „Safe-Space“ mitnehmen (z.B. Decke, Lieblingstee, Talisman o.ä.)
- Immer wieder selbst erinnern, dass Abgrenzung erlaubt und notwendig ist!
- „Ich brauche eine Pause“ ist gesunde Abgrenzung und keine Flucht!
- Singen hilft immer – beim Singen können wir keine Angst empfinden – das gilt auch für Weihnachtslieder beim Kekse backen 😉
- Gedankenkarussell stoppen: Ist das wirklich so? Was habe ich davon, wenn ich diesen Gedanken glaube/annehme?
- Mini-Rituale (Kerze am Abend, Dankbarkeitstagebuch, Achtsamkeitsübungen, Räuchern, Podcast usw.)
- Abendliches Reset von Reizen: Smartphone aus, Erdungsübungen
- Regelmäßig überprüfen: was tut m i r gut? Serienmarathon? Gottesdienst oder „Gegenprogramm“? Me-Time oder Gesellschaft?
- Für einige Menschen kann die Beschäftigung mit dem Thema Rauhnächte hilfreich sein.
Empfindsame Menschen spüren oft die hohe feinstoffliche Aktivität in dieser Zeit.
In der Weihnachtszeit liegt auch die Wintersonnenwende (21.12). Die Tage werden wieder länger. Ein Sich-bewusst-Machen, was kommen und im Licht wachsen darf kann ebenso helfen, wie der Impuls, dass wir die Dunkelheit brauchen um zur Ruhe zu kommen.
Einen guten Übergang und eine wundervolle Weihnachtszeit wünscht
Friederike Hüsken
und nicht vergessen: Herausforderung heißt nicht automatisch Überforderung 🙂
Friederike Hüsken, Fachberaterin für Hochsensibilität, www.sensibelle.de, Netzwerkmitglied für 24113 Kiel (D)
