Hochsensibilität: Die Toxizität der Harmoniebedürftigkeit

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(sel-db121-b03) Harmoniebedürftigkeit – ein Wort, welches viele als eine „gute“ Charaktereigenschaft benutzen. Es liegt ja auch nah, dass dieses Wort positiv ist, denn immerhin steckt das Wort „Harmonie“ drin, und dieses Thema betrifft natürlich in besonderem Maße die Hochsensibilität.

Saskia F. Elvers
Ein Beitrag von Saskia F. Elvers

Harmonie steht dafür, dass verschiedene Teile ein ausgeglichenes Verhältnis zueinander haben. Die Energien schwingen wohlwollend und trägen zur Balance bei. Doch „harmoniebedürftig“ beinhaltet auch noch das Wort „Bedürftigkeit“, was dafür steht, dass eine Balance noch nicht vorhanden ist und man gegebenenfalls Hilfe bräuchte. Doch was bringt Menschen nun zu der Meinung, dass Harmoniebedürftigkeit eine „gute“ Charaktereigenschaft ist?

Besonders Hochsensible sind davon betroffen und rechtfertigen sich damit, wenn sie einem Streit oder Konflikt aus dem Weg gegangen sind.

Der Grund dafür ist, dass Menschen – und besonders HSP (Hochsensible Personen) – für ihre Harmoniebedürftigkeit gelobt werden. Dass sich dahinter ein Mangelbewusstsein verbirgt, wird häufig vom Gegenüber unausgesprochen gelassen, aber wieso? Weil derjenige selbst keinen Vorteil mehr daraus ziehen kann, wenn sich dieses Mangelbewusstsein in ein Füllebewusstsein verändert.

Wir leben noch immer in einer Gesellschaft, in der kognitive Fähigkeit mehr Wertigkeit zugesprochen wird als emotionale – obwohl wir mittlerweile schon in einer neuen Entwicklungsphase stecken.

Die Gaben der Hochsensiblen ist mehr denn je gefragt und wird dringend gebraucht.

Das stört selbstverständlich diejenigen, die von einer Machtumkehr wenig profitieren – toxische Menschen. Doch damit jeder HSP seine Gaben tatsächlich wahrhaftig ausleben kann, benötigt es, sich selbst von Toxizität zu befreien, womit nicht nur Narzissten, Psychopathen, Borderliner etc. in der Umgebung gemeint sind, sondern vor allem die in uns steckenden „guten“ Eigenschaften, die sich wie ein Wolf im Schafspelz verkleiden.

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Bedürftig zu sein, ist nur dann angemessen, wenn man nicht selbstständig sein Überleben sichern kann – z. B. Babys, Verletzte und Kranke, Vernachlässigte, Gefährdete, etc.

In diese Kategorien gehören allerdings die wenigstens Hochsensiblen.

Besonders wollen wir auch nicht als Bedürftiger angesehen werden, wenn wir uns hinter dem Mangel an Konfliktfähigkeit verstecken wollen. Wir bekommen von Ratgebern immer wieder zu hören, dass wir unsere Abgrenzung verbessern müssen, doch genau das ist in den seltensten Fällen das Grundproblem von HSP.

Uns wurde ein Leben lang suggeriert, dass wir „lieb“, „angepasst“ und „brav“ sein sollen, damit wir Harmonie empfangen können. Dabei waren wir diejenigen, die diese Harmonie nicht gleichwertig zurückbekamen. Wir müssen nicht lernen, wie wir unsere Harmonie von anderen fernhalten, sondern ein Selbstwert aufzubauen, mit dem wir unsere Harmonie als Geschenk für andere Menschen erachten, welches der andere auch ausschlagen darf. Dieses Recht steht uns selbst genauso zu.

Hochsensible Menschen sind von Natur aus harmonieorientiert, kompromissbereit, respektvoll und konfliktlösend.

Wir kommen mit einem emotionalen Füllebewusstsein auf die Welt, welches uns häufig in der Kindheit wegerzogen wurde – von Menschen mit toxischen Glaubenssätzen, die es nicht besser wussten. Wir müssen uns nicht abgrenzen, sondern lernen, unsere Grenzen klar zu zeigen und zur Not dafür Konsequenzen zu ziehen. Abgrenzung spricht von Distanz, und das ist kein Teil von Hochsensiblen. Wir sind die Partei in der Gruppe, die Menschen wieder zusammenführt, weil wir eine natürliche Begabung dafür haben, Nähe zu erschaffen.

Wenn wir uns weiterhin selbst mit „Harmoniebedürftigkeit“ unterdrücken und uns einreden lassen, dass es uns an Abgrenzung fehlt, statt die Gabe der Nähe als wertvollstes Gut zu erachten, dann wird es weiterhin für uns eine Welt geben in die wir schwer reinpassen. Es ist Zeit, unser antrainiertes Mangelbewusstsein loszulassen. Konflikte mit harmoniebedürftigen Menschen sind auf Dauer destruktiv, weil diese niemals ihre ehrliche Meinung vertreten – aus Angst vor negativer Abwertung. Doch wer sich an eine falsche Bedürftigkeit hängt, wertet sich selbst ab und ist dazu gar nicht bereit, mehr Fülle zu empfangen.

Wir können nur eine friedliche Welt erschaffen, wenn diejenigen, die diese Positivität ganz natürlich als Gabe in sich tragen, als besondere Fähigkeit auch im Konflikt zur Schau stellen und nutzen.

Es ist an der Zeit seine eigene „gute“ Toxizität loszulassen, um unsere vorbestimmte Fülle empfangen zu dürfen.

Saskia F. Elvers, Intuition- & Toxic-Coach, www.eternalspark.de


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2 Kommentare

  1. Danke für den interessanten und aufschlussreichen Artikel.
    Mir gefällt besonders der Aspekt der Fülle, denn Harmonie ist bei Hochsensiblen ja nicht nur mit einem Mangel verbunden (auch wenn dieser sich oft auf dominante Weise zeigt), sondern es ist auch eine Gabe, Harmonie erzeugen und schenken zu können, die ebenso in uns verankert ist.
    Um etwas geben zu können, brauche ich ein gewisses Maß an Fülle, das haben Sie sehr treffend beschrieben, und dafür muss zunächst der Mangelzustand behoben werden.
    Leider reicht es bei Hochsensiblen in den meisten Fällen nicht aus, einfach Strategien zu ändern, bzw. Anpassungsmuster einfach loszulassen. Ich habe in meiner Beratungsarbeit mit Hochsensiblen immer wieder erlebt, dass dieses Mangelgefühl, das dem Harmoniebedürfnis zugrunde liegt aus tiefen, alten Verletzungen erwachsen ist.
    Es sind vielfach die Erlebnisse aus unserer Kindheit, die uns schon in jungen Jahren zeigten, wie „anders“ wir sind, und die – je nach Intensität und Häufigkeit – in früher Kindheit einen Mangel an Urvertrauen auslösen können.
    Also dürfen wir ein wenig Selbsterforschung betreiben: Wie stark ist mein Harmoniebedürfnis ausgeprägt? Ist es nur eine kleine Hürde, die mir im Leben keine großen Schwierigkeiten bereitet und die ich als Persönlichkeitsmerkmal verbuchen kann? Dann habe ich hier womöglich kein Thema für eine Aufbereitung.
    Ist es aber (und das wird der Hintergrund für Ihren Artikel sein) ein Problem im kommunikativen Miteinander, das mir ein grundsätzliches Unwohlsein bereitet, das mir Lebensqualität raubt oder mich in meinem Selbstwertgefühl tief verunsichert, dann habe ich möglicherweise einige frühere Themen aufzuarbeiten, bevor ich die entsprechenden Anpassungsstrategien loslassen und in die Fülle gehen kann.
    Aus meiner jahrelangen Arbeit und vor allem aus eigener Erfahrung als Hochsensible kann ich nur sagen: Es lohnt sich. Jeder Schritt, der zu mir und der Entfaltung meiner Stärken führt, kann mir und damit auch anderen mehr Lebensqualität und Freude schenken.
    Ein anderer Aspekt eines starken Harmoniebedürfnisses bei Hochsensiblen kann einen pragmatischeren Hintergrund haben: Stress.
    Hochsensible nehmen mehr emotionale und energetische Schwingungen auf als Normalsensible, und fühlen sich demnach in einer angespannten oder sogar Konflikt geladenen Atmosphäre oft extrem unwohl. Zudem haben sie von Haus aus vielfach mit einem erhöhten Cortisolspiegel zu tun. Ein starkes Harmoniebedürfnis kann also auch den Hintergrund haben, der ungesunden und Stress auslösenden Atmosphäre entfliehen zu wollen, bzw. zu versuchen, eine harmonische Umgebung zu schaffen.
    In diesem Fall kann es ratsam sein, sich mit dem Thema Stress auseinanderzusetzen und sich gesunde Strategien zuzulegen, mit denen wir uns innerlich und auch äußerlich entspannen können. Und ja, manchmal kann die Fähigkeit, in den Abstand zu gehen, auch eine sehr gesunde Strategie sein. Wir können Nähe schaffen, das ist wahr. Aber zuweilen brauchen auch wir eine gesunde Distanz.
    Mit herzlichen Grüßen,
    Nicola Exner

  2. Danke, interessanter Beitrag. Bin froh habe ich ihn gelesen. Gegen Ende schreiben Sie (vermutlich der Kernsatz):
    „Wir können nur eine friedliche Welt erschaffen, wenn diejenigen, die diese Positivität ganz natürlich als Gabe in sich tragen, als besondere Fähigkeit auch im Konflikt zur Schau stellen und nutzen.“
    Dem voraus geht, dass Sie schreiben HSP würden oft aus Angst vor negativer Abwertung ihre Meinung in Konflikten zurückhalten.
    Haben Sie praktische Beispiele wie HSP dann ihre“ Fähigkeiten zur Schau stellen sollten und diese positiv nutzen“ in einem Ko nflikt?
    Fakt ist doch oft, dass die anderen Konfliktparteien a) nicht das spüren (auf Beziehungsebene) was HSP wahrnehmen und dann b) diese
    Wahrnehmungen/Aussagen als übertrieben, oder „ist gar nicht so“, „das meinst du nur“ ect. abtun und dadurch die Fähigkeit nicht genutzt wird.
    Also: Wie konkret die Fähigkeiten von HPS positiv nutzen?
    Vielen Dank und herzliche Grüsse
    M. Schnider

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