Ist Hochsensibilität eine nicht sichtbare Beeinträchtigung?
(Von Gabor Paranai) Der 20. Oktober ist ein internationaler Gedenktag der nicht sichtbaren Beeinträchtigungen. Er erinnert an diese stille Seite unserer Gesellschaft.

Dieser Tag ist dem Bewusstsein für nicht sichtbare Beeinträchtigungen gewidmet, jenen Belastungen, die von außen nicht erkennbar sind. Dazu zählen chronische Erkrankungen, psychische Erschöpfung, neurologische Besonderheiten und auch Hochsensibilität.
Manche Menschen tragen etwas mit sich, das kaum jemand sieht.
Sie erledigen ihren Alltag, funktionieren, wirken ruhig – und sind doch innerlich erschöpft. Ihr Nervensystem reagiert empfindlicher, ihr Wahrnehmungsfilter steht weiter offen.
Wer sensibel reagiert, nimmt mehr auf: Geräusche, Licht, Stimmungen, Spannungen.
Das Leben wird intensiver, aber auch anstrengender.
Ohne ausreichend Erholung gerät dieses fein reagierende System schnell aus dem Gleichgewicht.
Zwischen Wahrnehmung und Erschöpfung
Etwa 15 bis 20 Prozent der Menschen gelten als hochsensibel. Neurowissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass bei ihnen bestimmte Hirnareale stärker aktiv sind – besonders jene, die für Empathie, Aufmerksamkeit und Selbstreflexion zuständig sind (Acevedo et al., 2014).
Diese dauerhafte Wachheit kostet Energie.
Viele Hochsensible spüren die Erschöpfung erst, wenn kaum noch Kraft da ist. Sie tragen Verantwortung, halten den Alltag zusammen, sind für andere da. Nach außen wirkt das ruhig und kontrolliert. Innen tobt ein ständiges Rauschen.
Das Nervensystem bleibt wach, auch wenn der Körper längst nach Pause ruft.
So wächst das Gefühl, von der Welt überflutet zu werden, obwohl man sich nur durch sie hindurchbewegt.

Der 20. Oktober: Orientierungspunkt für nicht sichtbare Beeinträchtigungen
In diesem Jahr wurde der Tag der nicht sichtbaren Beeinträchtigungen in mehreren Städten begangen, unter anderem in Wiesbaden, Gießen und Bamberg. Selbsthilfegruppen, Kommunen und Initiativen wie Stille Stunde – Inklusion durch Reizarmut luden zu Informationsveranstaltungen und stillen Aktionen ein.
Es war ein emotionaler Tag des gemeinsamen Hinsehens. Ein Moment, in dem Aufmerksamkeit selbst zur Geste wurde.
Leben im empfindsamen Gleichgewicht
Ein fein reagierendes Nervensystem braucht Stabilität. Regelmäßiger Schlaf, Bewegung und bewusste Ernährung helfen, Reize zu verarbeiten und Kraft zu bewahren. Während des Schlafs ordnet das Gehirn Informationen, filtert Emotionen und stellt Ruhe her (Walker, 2017).
Der EMB®-Ansatz „Ernährung, Mental, Bewegung“ verbindet diese drei Ebenen miteinander.
Er steht für eine Lebensweise, die Körper, Geist und Wahrnehmung in Einklang hält. Wer sich um ausreichend Pausen, nährstoffreiche Ernährung und mentale Klarheit bemüht, stärkt seine innere Widerstandskraft. Das ist vor allem für Menschen mit feiner Wahrnehmung wichtig, die schneller an Grenzen geraten und Balance bewusst gestalten müssen.
Ein stilles Zeichen der Menschlichkeit
Unsichtbare Beeinträchtigungen verändern, wie man auf die Welt blickt. Sie lehren Geduld, Mitgefühl und das Bedürfnis nach echten Begegnungen. Der 20. Oktober ist kein Gedenktag, sondern ein Symbol dafür, dass Rücksicht ein stiller Ausdruck von Stärke ist.
Wer zuhört, statt zu urteilen, macht einen Unterschied.
Und wer versteht, dass Sensibilität Teil menschlicher Vielfalt ist, öffnet den Raum für mehr Miteinander.

Nachwort
Ich lebe selbst mit Hochsensibilität und weiß, wie es ist, die Welt intensiver wahrzunehmen. Viele meiner Klientinnen, Klienten und Bekannten (auch aus der Selbsthilfegruppe Hochsensible Landkreis Cham) teilen diese Erfahrung. Wir alle kennen die Gratwanderung zwischen Sensibilität und Überforderung.
Dieser Beitrag ist ein leiser Dank an alle, die hinschauen, zuhören und verstehen wollen.
An Menschen, die mithelfen, dass Hochsensibilität und andere unsichtbare Beeinträchtigungen mehr Anerkennung finden.
Du bist nicht allein mit deiner hochsensiblen Wahrnehmung. Wir sind viele und gemeinsam entsteht Veränderung.
Gabor Paranai
Gabor Paranai, EMB®, HSP-Beratung & Coaching für Erwachsene und Kinder, www.gabor-paranai.com, Netzwerkmitglied für 93413 Cham (D)
FAQ – Fragen zu Hochsensibilität und Unsichtbarkeit
Darunter fallen gesundheitliche oder neurologische Besonderheiten, die man äußerlich nicht erkennt – etwa chronische Erkrankungen, psychische Belastungen oder Reizverarbeitungsunterschiede wie Hochsensibilität.
Weil sie unscheinbar wirkt. Viele Betroffene zeigen keine sichtbaren Anzeichen, obwohl sie innerlich stark beansprucht sind.
Nein. Sie beschreibt eine feinere Reizverarbeitung im Nervensystem. Problematisch wird sie erst, wenn Erholung, Schlaf oder emotionale Ausgeglichenheit fehlen.
Durch Verständnis, ruhige Kommunikation und eine Umgebung mit klaren Strukturen. Auch regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung und mentale Achtsamkeit stärken das Nervensystem – so, wie es im EMB®-Ansatz gelebt wird.
Der Tag machte auf Menschen aufmerksam, deren Einschränkungen unsichtbar bleiben. Aktionen in Wiesbaden, Gießen und Bamberg setzten Zeichen für Empathie, Inklusion und Bewusstsein.
Quellen:
- Acevedo, B. P. et al. (2014). The Highly Sensitive Brain: An fMRI Study of Sensory Processing Sensitivity and Response to Others’ Brain and Behavior, 4(4), 580–594.
- Walker, M. (2017). Why We Sleep: Unlocking the Power of Sleep and Dreams.
- Aron, E. N. (2010). The Highly Sensitive Person.
- https://zfn.de/ernährung/ausbildungen-lehrgänge/ausbildung
- https://www.aok.de/pk/koerper-psyche/psychologie/unsichtbare-behinderung
