Brauchen wir eine hochsensible Sprache?

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(fhu-db095-b04) Manchmal macht es den Eindruck, dass wir vielleicht eine hochsensible Sprache bräuchten, denn unsere Sprache ist schließlich eines der grundlegendsten Elemente unserer Kommunikation:

  • Sie ist lebendig.
  • Sie verändert sich.
  • Sie entwickelt sich.
  • Sie wird entwickelt.
Friederike Hüsken, Netzwerkmitglied
Ein Beitrag von Friederike Hüsken

Und das passt nicht jeder/jedem. Denken wir nur an die breite Diskussion rund um das Gender-Sternchen, die „Jugendsprache“ oder einzelne Worte, die ausgetauscht werden, da ihre Bedeutung und Verwendung im heutigen Kontext eine Diskriminierung darstellen.

Wie wir unsere Sprache nutzen ist also ein sehr emotionales Thema. Mehr noch, mit und in ihr transportieren wir Emotionen. Nicht umsonst drehen sich ja auch viele Sprichwörter um die Sprache:

„Sich nicht den Mund verbieten lassen“, „die Sprache verschlagen“ oder „das Wort im Munde herumdrehen“, u.v.m. Dahinter stecken oftmals dramatische Situationen, Konflikte und Beziehungsgeflechte.

Auch im psychologischen Hilfe-Kontext ist, neben dem Setting und natürlich dem kompetenten Wissen der Helfenden, der Umgang und das Verstehen von Sprache enorm wichtig. „Die Geschichte hinter der Geschichte“ auf die es so oft ankommt, wird meist zwischen den Zeilen erzählt. Auch das ist Sprache.

Wie in der Musik, wo die Pausen auch gesungen werden müssen, hat das, was nicht gesagt wird, genauso viel Bedeutung wie das Gesagte. Man denke nur an die ein oder andere rhetorische Pause.

Und, dass eine Nachricht vier Botschaften hat, ist dank Schulz von Thun bereits weitverbreitetes Grundlagenwissen. Die Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg ist aus dem Konfliktmanagement nicht mehr wegzudenken.

Allein die Tatsache, dass gewaltfreie Kommunikation gelernt werden muss, beweist einmal mehr, dass Worte eine große Macht haben.

Mit Worten können wir verletzen, bewusst mit voller Absicht und manchmal auch ohne, dass wir es merken. Worte können sogar heilen: Das „richtige“ Wort zur richtigen Zeit kann ein „Gamechanger“ sein, wie man so schön sagt.

Hochsensible Menschen haben auch ein hochsensibles Verständnis für Sprache. Durch die tiefere Verarbeitung, andere Filterfunktionen und ein oft nicht auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmtes Abgrenzungsvermögen kann die Kommunikation des Gegenübers anders bzw. intensiver als bei Nicht-Hochsensiblen wirken.

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Glaubenssätze kennen wir alle. Sie werden uns durch Prägung und Erfahrung (und manchmal auch Vererbung) mitgegeben. Bei hochsensiblen Menschen passiert das sehr viel schneller. Es braucht dafür nicht den steten Tropfen in Form von Zuschreibungen über Kindheitsjahre hinweg, die den Stein höhlen. Es reicht oft schon das „Raushauen“ eines einzelnen Satzes in bestimmten Situationen, der dann als Glaubenssatz aufgesackt und mitgenommen wird. Auch müssen diese Sätze für hochsensible Menschen nicht zwangsläufig von engen Bezugspersonen wie Familie oder Partner stammen. Solche Formulierungen stammen auch von entfernten Bekannten, der/dem Kassierer/in im Supermarkt oder dem/der fluchenden Autofahrer/in.

Was kann man nun tun?

Gerade wir hochsensiblen Menschen sollten auf unsere Sprache achten. Unser System hört uns ja immer zu. Und – das werden viele Kolleginnen und Kollegen in Therapie, Beratung und Coaching bestätigen können – kaum jemand geht in der Bewertung so hart ins Gericht, wie wir mit uns selbst. Ich hole den Klassiker nochmal raus: „Würde jemand so mit deiner besten Freundin reden, wie du mit dir selbst, würdest du das nicht zulassen!“

Also ist die Art wie wir (mit uns) reden, ein Spiegel unseres Selbstwertes und unserer Selbstfürsorge. Fangen wir doch da einfach an:

  • Vielleicht ein bisschen sanftere Formulierungen.
  • Vielleicht ein bisschen weniger „bin ich doof“, „bin ich dies …“, „bin ich das …“ – was so leicht ausgesprochen wird, wenn man in die Handtasche guckt und feststellt, dass man was vergessen hat.

Die Macht der Worte MACHT schließlich was. So sagen wir uns auf diese Weise selbst die nächste Portion Glaubenssätze. Das können wir aber wunderbar für uns nutzen.

Sprache verändert Gedanken, und Gedanken steuern das Handeln.

Wie wäre es, das viele „MUSS“ mal zu streichen und durch ein „ich darf“, „ich kann“ oder „ich will“ zu ersetzen.

Denn ehrlicherweise MUSS ich nicht zum Sport, sondern ich DARF und ich WILL. MUSS ich wirklich die Wäsche heute waschen? Ich WILL das, weil es mir vielleicht morgen zu stressig wird. Dann ist es aber meine Entscheidung und kein Zwang. Und das entlastet das System. Denn ein MUSS erzeugt im Innen stets Widerstände. Und ein „ich WILL“ sorgt für ein besseres Gespür für die eigenen Wünsche und Bedürfnisse und vor allem Selbstwirksamkeit.

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Und wie wäre es, wenn wir die Worte IMMER oder NIE spaßeshalber öfter mal streichen und durch BISHER oder NOCH NICHT ersetzen.

Welch großer Raum der Möglichkeiten tut sich da auf, wenn es nicht mehr heißt: „Ich kann das nicht; ich habe das immer falsch gemacht“ sondern „ich kann das NOCH nicht; ich hab das BISHER falsch gemacht“.

Wie gesagt, das hochsensible System hört anders und vor allem aufmerksam zu. Und wenn wir uns mit Worten ständig selbst begrenzen, schränken wir uns in unserer Lebensqualität ein – zusätzlich zu den Herausforderungen, die eine Hochsensibilität mit sich bringen kann. Aber zurück zur Ausgangsfrage.

Brauchen wir also eine hochsensible Sprache?

Zum einen scheinen hochsensible Menschen schon eine Art eigene Sprache zu haben. Sie erkennen sich oftmals durch verbale und nonverbale Kommunikation. Vielleicht auch an den kleinen feinen Antennen … 😉

Und in Gruppen wie z. B Seminaren, in denen nur Hochsensible interagieren, wird (meiner Erfahrung nach) tatsächlich anders (miteinander) gesprochen. Wertschätzender und empathischer.

Ich möchte viel mehr ein Plädoyer für eine grundsätzlich wertschätzenderen Sprache halten, die für uns alle gilt.

Wir sollten alle mehr auf unsere Sprache achten und den Anfang dabei machen, wie wir mit uns selbst sprechen.

Denn da liegt auch der Ursprung, wie wir nach Außen kommunizieren. Egal ob hochsensibel oder nicht.

Friederike Hüsken, Fachberaterin für Hochsensibilität, www.sensibelle.deNetzwerkmitglied für 24113 Kiel (D)

Bildnachweis: LUCA TAGEBUCH, illustriert mit Aquarellmalerei und schönen Sprüchen zum Nachdenken, ISBN 9783982303208


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