Hochsensibilität: 9 Symptome von dysregulierten Nervensystemen

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(npa-db150) Hochsensibilität und Nervensystem – beide Themen gehören einfach zusammen: Beschäftigt man sich näher mit Hochsensibilität, stößt man oft auf Symptomen von dysregulierten Nervensystemen.

Nina Payer, Netzwerkmitglied, Profilbild
Ein Beitrag von Nina Payer

Das autonome Nervensystem ist für alle unwillkürlichen und nicht bewusst steuerbaren Prozesse verantwortlich. Es beeinflusst unseren Herzschlag, unsere Körpertemperatur, die Verdauung, das Immunsystem und viele andere Prozesse in unserem Körper. Über die fünf Sinnesorgane nimmt es Reize in uns und unserer Umgebung wahr und übermittelt diese ans Gehirn (bei Hochsensiblen Menschen tendenziell mehr als bei Nicht-HSP).

Die Hauptaufgabe des autonomen Nervensystems ist es, unser Überleben zu sichern!

Dysregulierte Nervensysteme? Was ist das überhaupt?

Ein reguliertes Nervensystem ist ein Nervensystem, das bei Stress oder Gefahr in den Alarm- und Gefahrenmodus hochfährt, sich aber, sobald die stressige Situation beendet ist, wieder fließend runter reguliert in die Zone des Sicherheitsempfindens, um sich dort zu erholen und neue Kraft zu tanken, bis die nächste stressige Situation oder Gefahr auftaucht. Dieses flexible Umschalten ermöglicht es, jederzeit angemessen und flexibel gemäß den äußeren Umständen agieren zu können.

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Ein dysreguliertes Nervensystem ist dazu nicht in der Lage. Es kann zwar von einem Zustand in den anderen wechseln, allerdings nicht im gleichen gesunden und ausbalancierten Maße, sondern eher abrupt und unvorhergesehen. Das zeigt sich zum Beispiel in Form von Stimmungsschwankungen und dem Gefühl, immer von jetzt auf gleich kurz vor einem Zusammenbruch zu stehen. Zudem bleibt ein dysreguliertes Nervensystem oft für längere Zeit in einem Zustand stecken, was uns unglaublich viel Energie kostet und so auch nur wenig Kapazitäten für nötige Veränderungen im Alltag zulässt.

Von hochsensibel zu dysreguliert ist es ein kleiner Schritt

Durch die typisch hochsensible starke Wahrnehmung, tiefe Verarbeitung von Reizen und Stimuli und intensive Emotionalität, tendieren wir HSPs generell schnell zu einem dysregulierten Nervensystem. Die neuronalen Filter lassen viel mehr Informationen aus dem Außen und Innen durch, sodass unser Nervensystem immer auf Hochtouren fährt.

Es gibt Hochsensible, die wahnsinnig gut funktionieren und unglaublich viel Leistung erbringen können. Aber wenn sie nicht in der Lage sind, sich zwischendurch auch wieder herunterzufahren, dann werden auch sie an einem Punkt ankommen, wo nichts mehr geht. Dann kann der Weg direkt in den Burnout führen.

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Doch was tun, wenn du irgendwann zwischen den Stress- und Überreizungswellen gar nicht mehr in der Lage bist, dich zu erholen und Kraft zu tanken? Wenn du dich irgendwann nur noch in der Anspannung und im Alarmzustand aufhältst und jede Kleinigkeit, die noch dazukommt, das Fass zum Überlaufen bringt? Dann kannst du davon ausgehen, dass dein Nervensystem wahrscheinlich schon in einer chronischen Dysregulation feststeckt. Und das kostet dich unglaublich viel Kraft!

Der Grundzustand bestimmt das Empfinden

Wie stark die Reaktionen sind, die HSP auf Reize und Eindrücke verspüren, hängt immer auch (neben der aktuellen Situation und der körperlichen Verfassung) vom Grundzustand des Nervensystems ab. Bestimmt kennst du das, dass du nach einer langen stressigen Woche an manchen Tagen schon erschöpft und genervt aufstehst, vielleicht kündigt sich auch noch eine Erkältung an – und da braucht es nur eine Kleinigkeit und du brichst in Tränen aus. An anderen Tagen, an denen du dich ausgeruht und gut fühlst, würde dich diese Kleinigkeit vielleicht kaum berühren.

Bei chronisch dysregulierten Menschen steckt das Nervensystem meist in einer starken Aktivierung oder auch im Shutdown fest.

9 Typische Symptome von dysregulierten Nervensystemen

  1. Du wirst regelmäßig von deinen Emotionen überflutet, sie übernehmen regelrecht die Kontrolle über dich.
  2. Du spürst oft große Unsicherheit; egal was du tust, nichts fühlt sich richtig an.
  3. Du hast wenig Energie, alles fühlt sich schwer und unüberwindbar an.
  4. Du lebst nicht im Hier und Jetzt, sondern hängst meistens der Vergangenheit nach oder machst dir Sorgen um die Zukunft.
  5. Du bist fast nie wirklich präsent, versuchst 1000 Dinge auf einmal zu erledigen und kannst dich nur schwer konzentrieren.
  6. Du leidest unter Einschlaf- und Durchschlafproblemen und bist ständig angespannt.
  7. Du bist sehr verkopft und hast wenig Zugang zu deinen Gefühlen oder deinem Körper.
  8. Du siehst in vielen Dingen des Alltags eine Gefahr oder einen Angriff auf dich.
  9. Du leidest ständig unter Unruhe, Nervosität, Ängsten und Panikattacken.

Hinzu kommt, dass wir HSP auch noch die Gefühle von Menschen in unserem Umfeld sehr stark wahrnehmen und diese auch auf uns abfärben. Wir brauchen dann ein Ventil, um uns davon nicht total mitreißen zu lassen. Sich komplett davon abzuschotten – quasi eine Mauer um uns bauen, die keinerlei Gefühle mehr durchlässt – ist aber auch keine Lösung.

Eine notwendige, gesunde Abgrenzung ist mit einem bereits dysregulierten Nervensystem allerdings extrem schwierig.

Das gleiche gilt für Veränderungen, die wir vielleicht gerne in unserem Alltag integrieren wollen. Vielleicht weißt du schon länger, was genau du eigentlich bräuchtest und wie du dein Leben besser auf deine hochsensiblen Facetten anpassen könntest. Aber du fällst nach kurzer Zeit immer wieder in alte Muster, es fühlt sich einfach nicht richtig an, egal was du tust und am Ende hast du das Gefühl, doch nichts langfristig ändern zu können. Das ist sehr frustrierend, allerdings auch ganz typisch für ein dysreguliertes Nervensystem, für welches jegliche Veränderung erst einmal eine potenzielle Gefahr darstellt.

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Was kannst du tun, wenn du chronisch dysreguliert bist?

Dein Nervensystem muss wieder lernen, in dir Sicherheit zu finden.  Es muss lernen, eine echte Gefahr für Leib und Leben von dem zu unterscheiden, was es tagtäglich in den Überlebensmodus switchen lässt, obwohl eigentlich keine wirkliche Gefahr für dich besteht.

Das funktioniert am besten mit einem körperorientierten Ansatz, mit dem du lernst, dich wieder mit dir und deinen (körperlichen) Empfindungen zu verbinden. Wieder lernen zu spüren, wie sich verschiedene Situationen und Stressoren im Körper anfühlen und anstatt diese Empfindungen zu ignorieren, wegzuschieben oder gegen sie anzukämpfen, ihnen Raum zu geben und sie langfristig zu integrieren. Denn nur so spürt dein Nervensystem Schritt für Schritt, dass keine Gefahr droht und findet mehr und mehr in den Zustand des Sicherheitsempfindens zurück.

Mit etwas Übung lernt dein System zunehmend sich selbst zu regulieren, um mehr und mehr einen entspannteren Grundzustand einzunehmen.

Gerade für uns HSP ist dies enorm wichtig, da wir eine gute Basis für die alltäglichen Überreizungen und Überstimulierungen brauchen, um nicht auf Dauer auszubrennen. Mit einem nachhaltig regulierten Nervensystem ist es uns dann auch möglich, Veränderungen anzugehen, unseren Bedürfnissen nachzugehen, gesunde Grenzen zu setzen und den alltäglichen Herausforderungen, die der hochsensible Alltag, das hochsensible Berufsleben, das hochsensible Elternsein etc. mit sich bringt, gelassener zu begegnen.

Nina Payer, Fachberaterin für Hochsensibilität & Nervensystem-Coach, Netzwerkmitglied für 35085 Ebsdorfergrund (D), www.ninapayer.de


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3 Kommentare

  1. Der Beitrag ist sehr passend, finde mich ganz und gar wieder. Bin aber immer auf der Suche nach einer Auseinandersetzung mit meinem Problem, sehr schnell verletzbar zu sein. Eine komische Bemerkung oder ungewoehnliches Verhalten koennen mich als HSP total aus der Bahn werfen, wenn nicht gar den Kontakt abbrechen lassen…

    Karin

    1. Liebe Sarah, es geht bei körperorientierter Arbeit darum, sich wieder mit dem Körper zu verbinden und die über Jahre angestauten Überlebensenergien Stück für Stück wieder aufzulösen. Atemübungen sind dabei eher ein oberflächliches Instrument und nicht für alle Menschen geeignet (bei traumatisierten Menschen kann der Versuch, Kontrolle über den Atem auszuüben, eher triggern und dementsprechend noch mehr dysregulieren). Ich arbeite hauptsächlich mit der NESC-Methode, bei der es darum geht, über Körperempfindungen mit den verschiedenen Themen, die uns belasten und stressen, zu arbeiten. Wenn du eine belastende Situation erlebst, dann reagiert dein Körper in verschiedener Weise – z.B. mit einer engen Brust, Kloß im Hals, Zittern der Hände, Druck in den Schläfen etc. Auch wenn ich dich ein paar Tage nach der Situation bitte, dich noch einmal in diesen Moment einzufühlen, reagiert dein Nervensystem wieder mit den gleichen Körperempfindungen, wie in der Situation selbst (natürlich etwas abgeschwächter, aber das reicht uns, um damit zu arbeiten). Normalerweise wollen wir diese Empfindungen nicht spüren, weil sie unangenehm sind, also verdrängen wir sie, lenken uns ab, schieben sie weg. Doch sie bleiben im Körper gespeichert und stauen sich auf. Früher oder später bricht diese teilweise über Jahrzehnte angestaute Überlebensenergie aus uns heraus. Das kann in Form eines körperlichen oder mentalen Zusammenbruchs sein, psychosomatischen Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Depressionen, Burnout etc. Während einer NESC Session geben wir diesen Empfindungen zum ersten Mal Raum und erlauben ihnen da zu sein. Nichts wird forciert, das ganze läuft traumasensibel. Nur das, was sich zeigt, wird so weit gehalten, wie es für dich okay ist. Das spannende ist, dass wenn wir diese Empfindungen wirklich zulassen und spüren, das Nervensystem nach 90 Sekunden bis 3 Minuten in einen Shift geht und sich entspannt, obwohl wir immer noch mit der belastenden Situation verbunden sind. Aber da das Nervensystem spürt, dass nichts passiert, kommt ein Gefühl von Sicherheit auf. Wir programmieren sozusagen unsere neuronalen Verknüpfungen um. Wenn wir das regelmäßig wiederholen und auch im Alltag integrieren, dann kommt das Nervensystem immer mehr in die Sicherheit und damit auch in eine nachhaltige Regulation. Das Ganze ist ein Prozess, der nicht von heute auf Morgen verläuft, was aber auch gut so ist, denn nur so kann das Nervensystem diese kleinen Veränderungen auch halten und integrieren, ohne überfordert zu werden.

      Eine „Nebenwirkung“ dieser körperorientierten Arbeit ist es, dass wir Stück für Stück ein besseres Gefühl für unsere wahren Bedürfnisse und Grenzen bekommen und aus diesem Gefühl heraus für uns einstehen können, ohne dass es sich nicht richtig anfühlt oder wir nach kurzer Zeit wieder in alte Muster verfallen. Einfach, weil es aus uns und unserem Körper herauskommt und gespürt wird und nicht nur im Kopf verstanden wurde.

      Neben der sehr tiefgehenden NESC-Methode arbeite ich mit meinen Klienten auch daran, herauszufinden, welche Tätigkeiten oder Situationen ihnen bei der Regulation im Alltag helfen. Jeder Mensch ist anders und man muss einfach mal ausprobieren, was für einen selber passt.

      Ich hoffe, ich konnte dir deine Frage ein bisschen beantworten!? Ansonsten melde dich gerne nochmal bei mir.

      Liebe Grüße, Nina

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