Eignet sich die berufliche Selbstständigkeit für Hochsensible?

Eignet sich die berufliche Selbstständigkeit für Hochsensible? Ein Puzzelteil schwebt über einer Hand

(Sandra Tissot – b02) Interview mit Sandra Tissot über das Thema berufliche Selbstständigkeit und hochsensible Menschen:

Welche Herausforderungen gibt es für Hochsensible im Job-Alltag allgemein?

Sandra Tissot, Profilbild
Sandra Tissot

Sandra Tissot: Das klassische Angestelltendasein suggeriert zunächst Sicherheit. Es kann sich für Hochsensible aber schnell wie ein „Gefängnis“ anfühlen. Gerade dann, wenn sie sich nicht selbst entfalten können und die eigentliche Entscheidungsgewalt immer bei anderen liegt. Ein vordefiniertes Arbeitsumfeld, fremdgesteuerter Leistungsdruck und die stille Abhängigkeit von Vorgesetzten, Kollegen oder Kunden bringen Hochsensible schnell an körperliche und auch an gesundheitliche Grenzen. Eine Ursache dafür liegt in mangelnden oder fest vorgeschriebenen Regenerationsphasen (feste Arbeits- Mittagszeiten etc.). HSP benötigen aber gerade diese Regeneration viel häufiger, um neue Energie zu tanken.

Die aus Unternehmersicht viel gelobten Großraumbüros sind für Hochsensible beispielsweise auf Dauer unerträglich. Lärmpegel und der erzwungene Umgang mit anderen Menschen auf engstem Raum können zur enormen Stressbelastung avancieren. Ein klassisches Angestelltenverhältnis führt Hochsensible hier nicht selten in eine tiefe Sinnkrise.

Du hast ein Buch darüber geschrieben. Welche Chancen siehst Du für Hochsensible in der Selbstständigkeit? Welche Vorteile der Hochsensibilität lassen sich hier nutzen?

Sandra Tissot: Hochsensible sind im Grunde ihres Herzens absolute Freigeister. Sie legen großen Wert auf Unabhängigkeit. Sie treffen gern selbstbestimmte Entscheidungen. HSP haben außerdem ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis. Wirklich kreativ werden sie meist erst dann, wenn sie keinen starren Strukturen oder Hierarchien folgen müssen. Die berufliche Selbstständigkeit ermöglicht es ihnen, an vielen Stellen eigenmächtig Entscheidungen zu fällen. Sie können wählen, mit wem sie zusammenarbeiten und welche Rahmenbedingungen dafür förderlich sind. Angefangen bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes, über die flexible Zeiteinteilung bis hin zur Projektauswahl. Mit auf das hochsensible Naturell abgestimmten Regenerationsphasen blühen HSP hier nicht selten erst richtig auf.

Dabei können HSP ihre Fähigkeiten zum vollen Einsatz bringen. Dank einer ausgeprägten Wahrnehmung wissen sie oft vorher instinktiv, was funktioniert und richtig ist. Hochsensible können in komplexen Zusammenhängen denken. Darüber hinaus sind sie oft in der Lage Kunden dort abzuholen, wo sie sich aufgehoben und gut beraten fühlen. Alle wertvollen hochsensiblen Gaben wie Empathie, Intuition, Kreativität, vernetztes Denken sowie Ideenreichtum lassen sich in der Selbstständigkeit ideal nutzen.

Der Sprung in die Selbstständigkeit stellt für viele Hochsensible eine große Herausforderung dar. Wie können Hochsensible Selbstzweifel und Existenzängste überwinden?

Sandra Tissot: Gesunde Selbstzweifel gehören dazu, sie bewahren Hochsensible vor Fehlentscheidungen und leiten sie wie ein unsichtbarer roter Faden. Entscheidend ist es, geplant vorzugehen. Es ist absolut nicht empfehlenswert ein Angestelltenverhältnis aus einer Laune heraus zu kündigen. Emotional geleitete Kurzschlussreaktionen sind selten ein guter Ratgeber.

Eine berufliche Selbstständigkeit ist immer nur so gut, wie ihre Vorbereitung. Recherchearbeit, Behördengänge und ein gut organisierter Businessplan sind ein absolutes Muss. Steht die geplante Selbstständigkeit auf einem soliden Fundament, gibt das Hochsensiblen Sicherheit und minimiert Existenzängste. Mit Hilfe der Organisation erhalten HSP auch ein realistisches Bild, welche Risiken sie eingehen. Ein Tipp: Suchen Sie gezielt den Kontakt zu anderen Selbstständigen (im Idealfall hochsensible Selbstständige) entweder im Freundes- und Bekanntenkreis oder auf Gründertreffen etc. Diese haben den Weg der Selbstständigkeit bereits beschritten und können eine wertvolle Unterstützung sein.

Welche Tipps kannst Du Hochsensiblen mit auf den Weg geben, um dauerhaft erfolgreich in der Selbstständigkeit zu sein?

Sandra Tissot: Nicht nach dem perfekten Timing suchen, denn das gibt es nie. Natürlich finden sich immer Gründe, die auch gegen ein Vorhaben sprechen. Wenn Hochsensible zu lange in diesen Zweifeln verharren, schaffen sie unter Umständen den Sprung in die Selbstständigkeit ebenfalls nie. Mit einer soliden Verbreitung und einer schrittweisen Umsetzung lassen sich übertriebene Ängste in den Griff bekommen. Hier gehört u. a. ein guter Businessplan, aber auch die Zusammenarbeit mit einem guten Existenzgründer-Berater dazu. Es gibt mittlerweile sogar welche, die sich auf Hochsensible spezialisiert haben.

Wichtig ist es, sich folgende Tatsache vor Augen zu führen: Die absolute Sicherheit gibt es nicht! Weder im Angestelltenverhältnis noch in der Selbstständigkeit. Wie genau Sicherheit definiert wird und an welchen Stellen sie uns lediglich suggeriert wird, entscheidet jeder für sich selbst. Hochsensible können die berufliche Selbstständigkeit als wertvolle Chance sehen, das eigene hochsensible Naturell optimal auch im Beruf zu nutzen.

Zu jeder unternehmerischen Tätigkeit gehören auch Rückschläge dazu. Hochsensible nehmen sich diese nur mehr zu Herzen. Vertrauen sie dann auf ihren Instinkt und auf ihre feinen Antennen, öffnen sich oft ungeahnte neue Türen. Diese Türen nutzen und hindurchgehen muss jedoch jeder Hochsensible selbst.

Vielen herzlichen Dank für das Gespräch, liebe Sandra.

Sandra Tissot, sandra-tissot.com, Autorin von:


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Häufig gestellte Fragen zu Hochsensibilität und Selbstständigkeit (FAQ)

Warum fällt Hochsensiblen das klassische Angestelltenverhältnis oft schwer?

Weil es ihnen an Selbstbestimmung, Ruhe und Flexibilität fehlt. Fremdgesteuerter Leistungsdruck, starre Strukturen und fehlende Regenerationspausen führen bei Hochsensiblen häufig zu Stress, innerer Unruhe oder sogar gesundheitlichen Problemen. Großraumbüros und dauerhafte soziale Reizüberflutung verstärken diese Belastung.

Welche Vorteile bietet die Selbstständigkeit für hochsensible Menschen?

Hochsensible können in der Selbstständigkeit ihre Stärken wie Empathie, Intuition, Kreativität und vernetztes Denken optimal einsetzen. Sie profitieren von der Möglichkeit, selbst Entscheidungen zu treffen, ihr Arbeitsumfeld individuell zu gestalten und eigene Rhythmen zu leben – was ihnen Energie und innere Freiheit gibt.

Wie können hochsensible Gründer mit Selbstzweifeln und Existenzängsten umgehen?

Ihre feine Wahrnehmung, ihre Fähigkeit zu tiefem Zuhören, ihre emotionale Intelligenz und ihr Sinn für Sinnhaftigkeit. Hochsensible erkennen oft intuitiv, was andere brauchen, und schaffen dadurch ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld. In beratenden oder kreativen Berufen sind sie häufig besonders wirkungsvoll.

Gibt es den perfekten Zeitpunkt für den Schritt in die Selbstständigkeit?

Den perfekten Zeitpunkt gibt es nicht. Wer zu lange auf ideale Bedingungen wartet, verliert oft den Mut. Entscheidend ist, gut vorbereitet zu starten, Schritt für Schritt zu gehen und Rückschläge nicht als Scheitern, sondern als Lernchancen zu sehen. Vertrauen in sich selbst und der Mut, den eigenen Weg zu gehen, sind zentral.

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