Erfolgsstrategien für Hochsensible im Bewerbungsprozess

(svo-db142) Meine zahlreichen Erfahrungen aus der Berufspraxis zeigen, dass viele hochsensible Menschen, die unzufrieden im Job sind, mit der beruflichen Neuorientierung ganz anders umgehen als „normal sensible“ Menschen. Sie machen die Erfahrung, dass ihre Hochsensibilität im Bewerbungsprozess eine Herausforderung darstellt.

Saskia Vocke
Ein Beitrag von Saskia Vocke

Hochsensible Menschen sind oft anfällig für Überstimulation, Selbstzweifel und Perfektionismus. Dies sind Eigenschaften, die in Bewerbungssituationen „stressen“ können. Gleichzeitig weisen sie Stärken auf, die sich deutlich von anderen Bewerbern abheben.

Die Fähigkeit tiefgehend zu fühlen und Empathie zu zeigen, ermöglicht es hochsensiblen Menschen, sich in die Bedürfnisse anderer hineinzuversetzen, kreative Lösungen zu finden und authentische Verbindungen zu knüpfen.

Hochsensible Menschen denken oft „über den Tellerrand hinaus“, sind hervorragende Teamplayer, haben ein Gespür für Trends und können exzellente Führungskräfte sein, sofern sie sich in der Rolle der Führungskraft wohlfühlen.

Ob es jedoch zu einer beruflichen Erfüllung und vorab zu einer Vertragsunterzeichnung kommt, hängt auch davon ab, ob der hochsensible Jobsuchende seine Stärken im Bewerbungsprozess richtig einsetzen kann.

1. Die Entscheidung für eine berufliche Neuorientierung fällt oft schwer

Die Entscheidung, sich beruflich zu verändern oder überhaupt erst in den Bewerbungsprozess einzusteigen, ist für hochsensible Menschen nicht immer leicht. Oftmals fühlen sie eine besondere Loyalität ihrem aktuellen Arbeitgeber gegenüber, auch wenn ihnen der Job nicht (mehr) guttut.

Außerdem neigen hochsensible Bewerber dazu, sehr stark alle Faktoren abzuwägen, die ein potenzieller Jobwechsel mit sich bringen könnte. Ich empfehle hochsensiblen Menschen, dass sie sich Zeit nehmen, um die eigene berufliche Situation zu analysieren. Folgende Fragen helfen:

  • Fühlst du dich in deinem aktuellen Job erfüllt und stimmt er mit deinen persönlichen Werten überein?
  • Fühlst du dich über- oder sogar unterfordert?
  • Wie ist das Verhältnis zu den Kollegen/Vorgesetzten?

Unabhängig von der Antwort auf diese Fragen rate ich immer:

Bewerbe dich und teste wie das Gefühl ist, beruflich neue Wege zu gehen.

Dank der sehr guten Intuition von hochsensiblen Menschen merken diese schnell, ob das Timing für einen Jobwechsel stimmt. Außerdem ist ja nichts in Stein gemeißelt. Es hilft, die berufliche Neuorientierung als ein persönliches Entwicklungsprojekt zu sehen.

Der hochsensible Bewerber kann nur gewinnen: an Erfahrungen, an Markt- und Branchenkenntnissen und an neuen Kontakten und er tut etwas für sein sensibles Ego, wenn er sich proaktiv um seine berufliche Zukunft kümmert.

2. Formulierung des Bewerbungsanschreibens in Einklang mit der Hochsensibilität

Der Umgang mit der eigenen Sensibilität im Bewerbungsanschreiben kann eine anspruchsvolle Aufgabe sein, aber birgt auch das Potenzial, sich von anderen Bewerbern abzuheben.

Bei der Formulierung des Bewerbungsanschreibens ist Authentizität und das Hervorheben der eigenen Stärken der Schlüssel.

Ein erster Schritt ist in der Stellenanzeige zu schauen, ob besonderer Wert auf Empathie und Kollegialität gelegt wird. In einem zweiten Schritt kann der Jobsuchende analysieren, ob er auf der Homepage des Unternehmens Informationen über die Philosophie des Wunscharbeitgebers und die Werte findet und ob er diese Werte teilt. Falls ja, dann ist es wichtig, sich im Anschreiben auf die gemeinsamen Werte zu beziehen.

Im Bewerbungsschreiben könnte zum Beispiel am Schluss folgendes stehen: Ich überzeuge nicht nur fachlich, sondern vor allem auch menschlich und passe daher als Frau mit IT-Background hervorragend in Ihr Unternehmen, das Diversität lebt und neben der Fachkompetenz den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Ich suche ein Unternehmen wie die XYZ GmbH, das meine Werte (Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Kollegialität und Empathie) teilt und mir Freiräume gibt, mich beruflich zu verwirklichen.

In Stellenanzeigen wird eher selten bis gar nicht direkt erwähnt, dass hochsensible Mitarbeiter gesucht werden. Darum sollten Bewerber auch nicht schreiben, dass sie hochsensibel sind, sondern eher „zwischen den Zeilen“ Indizien für eine Unternehmenskultur herausfiltern, in der sich Hochsensible wohlfühlen. Indizien könnten sein:

  • Betonung von Kollegialität
  • Teamfähigkeit
  • Fairness
  • Authentizität
  • Offene Fehler-Kultur
  • Duz-Kultur
  • Betonung von gelebter Diversität
  • Fokus auf den Menschen im Unternehmen
  • Wichtigkeit von Persönlichkeit vor Hard Skills (also zu erlernendem Know-how).

Inwiefern diese Kultur dann auch gelebt wird, gilt es in der Praxis zum Beispiel im Rahmen des Vorstellungsgesprächs oder eines Probearbeitstages zu entdecken.

3. Gehaltsverhandlung und Vorstellungsgespräch als hochsensibler Mensch

Der Schlüssel zur erfolgreichen Gehaltsverhandlung und einem gelungenen Vorstellungsgespräch als hochsensibler Mensch liegt in der Vorbereitung, dem Selbstbewusstsein und der Fähigkeit, die eigene Empathie geschickt einzusetzen.

Hochsensible Bewerber müssen den Wert der eigenen Kompetenzen und der eigenen Persönlichkeit für das Unternehmen erkennen und im Vorstellungsgespräch selbstbewusst kommunizieren. Sie müssen sich „selbst vermarkten“, was – völlig zurecht – vielen sensiblen Personen oft schwerfällt. Hochsensible sind häufig selbstkritisch. Daher besteht die Gefahr, dass sie zögern eine Gehaltsanpassung zu fordern oder im Vorstellungsgespräch das Gehalt durchzusetzen, das sie sich wünschen.

Eine gute Vorbereitung auf eine Gehaltsverhandlung und auf ein Vorstellungsgespräch ist das A und O.

  • Notiere deine in der Vergangenheit realisierten Erfolge
  • Schreibe den Nutzen auf, den das Unternehmen hat, wenn es genau dich einstellt. Erkläre inwiefern du alle (oder viele) Anforderungskriterien der Stellenanzeige erfüllst. Gehe insbesondere auf deine persönlichen Stärken ein.
  • Notiere dir Fragen, die du dem Unternehmen stellst und die dir als hochsensibler Bewerber wichtig sind. Gute Fragen, die du am Ende des Vorstellungsgespräches stellen kannst, sind:
  • Was muss ein Kandidat (aus Ihrer Sicht) mitbringen, um in dieser Position erfolgreich zu sein?“
  • „Welche Kollegen können mich bei meiner Arbeit optimal unterstützen?
  • „Wie würden Sie meinen typischen Arbeitstag beschreiben?“
  • Ist es möglich einen Probearbeitstag zu absolvieren?

Den Probearbeitstag oder zumindest eine „Führung durchs Unternehmen“ empfehle ich besonders hochsensiblen Bewerbern. Denn die Empathie von Hochsensiblen ermöglicht es, die Stimmungen und Schwingungen am Arbeitsplatz schnell und sicher wahrzunehmen.  Stelle dir am Ende folgende Fragen:

  • Wie wohl fühlst du dich im Gespräch?
  • Kannst du dir vorstellen für das Unternehmen zu arbeiten?
  • Willst du diesen Job unbedingt?
  • Wie schätzt du die Arbeitsbedingungen für dich als hochsensibler Mensch ein (kleines Büro oder Einzelbüro, Homeofficemöglichkeit, Wohlfühlfaktor im Unternehmen)?

Vielen meiner hochsensiblen Kunden ist der Wohlfühlfaktor am Arbeitsplatz und eine sinnstiftende Tätigkeit wichtiger als das Gehalt. Ich sehe das so: Warum kann ein hochsensibler Mensch nicht beides haben: ein gutes Gehalt und einen sinnerfüllten Job.

Beim Eintritt ins Berufsleben kann man gehaltlich noch etwas tiefer „stapeln“, besonders wenn der Job tolle Weiterbildungsmöglichkeiten und eine sehr solide Plattform für den Einstieg ins Berufsleben bietet. Aber spätestens beim ersten oder zweiten Jobwechsel sollte der Wert einer hochsensiblen Person auf dem Arbeitsmarkt (der meist sehr hoch ist, da Hochsensible viel Einsatz zeigen und viel „drauf“ haben) auch dementsprechend monetär honoriert werden.

So vielseitig wie hochsensible Menschen sind, so bunt ist oft ihr Lebenslauf, der nicht immer einen roten Faden aufweist. Die veränderten Arbeitsbedingungen und die erhöhte Dynamik auf dem Arbeitsmarkt führen jedoch zu einer anderen Bewertung von „bunten Lebensläufen“.

Es wird aktuell nicht mehr erwartet, dass der berufliche Werdegang gradlinig und vollständig lückenfrei verläuft.

Unternehmen reagieren offener auf sogenannte „Exoten“, da auch der Druck, gutes Personal zu finden in nahezu jeder Branche gestiegen ist. Daher sollten hochsensible Menschen den Mut aufnehmen, sich zu bewerben. Denn:

Mut = Angst + der 1. Schritt.

Saskia Vocke, Beraterin für Berufliche Neuorientierung, Bewerbungscoach und Fachberaterin für Hochsensibilität
Netzwerkmitglied für 58332 Schwelm,
www.jobleben-consulting.de


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