Warum Hochsensible in Gesprächen oft nur eine zuhörende Rolle einnehmen

Warum Hochsensible nur eine zuhörende Rolle einnehmen, junge Leute sitzend am Lagerfeuer

(Von Anke Römer) „Warum bist du so ruhig?“ Vielleicht hast du das als hochsensible Person schon einmal gesagt bekommen, weil du in Gesprächen oft nur eine zuhörende Rolle einnimmst.

Anke Römer, Profilbild, Netzwerkmitglied
Anke Römer

Du nimmst an Gesprächen mit Familie, Freunden oder Kollegen teil, doch du hörst meist einfach nur zu, obwohl du die Themen interessant findest und dir auch viele Gedanken dazu während der Gespräche durch den Kopf gehen.

Sicher ist dir dann früher auch schon die Frage: „Warum bist du eigentlich so ruhig?“, gestellt worden. Aber meist finden das die Leute, die dich schon länger kennen, nicht mehr ungewöhnlich und sie nehmen dich mittlerweile so, wie du eben bist … hochsensibel, ruhig und zuhörend.

Aber warum nehmen gerade hochsensible Menschen oft diese Rolle ein und ist es ihnen unangenehm?

Sind sie vielleicht schnell gelangweilt, weil die Gespräche für sie nicht tief genug gehen? Oder ist das Gegenteil der Fall und sie sind überfordert?

Für die meisten hochsensiblen Personen ist die zuhörende Rolle absolut nicht unangenehm, im Gegenteil, im Kopf passiert ganz viel. Daher kann auch von Langeweile bei den meisten Gesprächen keine Rede sein, außer vielleicht, es handelt sich um das Thema „Smalltalk“. Das kann eine Herausforderung und anstrengend sein, eben weil man über belanglose Dinge sprechen soll, die nicht in die Tiefe gehen. Daher sind wir Hochsensiblen darin nicht besonders gut. Man kann das aber üben, dazu später mehr.

In Gesellschaft von fremden Menschen, manchmal auch im Kollegenkreis im beruflichen Kontext, fällt es dir meist noch schwerer, nicht nur zuzuhören. Du denkst während der Gespräche über das Gesagte und die Zwischentöne nach, überdenkst deine Argumente, zusätzlich versuchst du aber meist noch die Personen einzuordnen, sie zu lesen und beobachtest viel.

Du denkst vermutlich auch darüber nach, wie du auf sie wirkst, was sie von dir denken und ob das, was du sagen könntest, auch das aussagt, was du ausdrücken willst.

Und schon ist das Thema oder die Situation, zu der deine Gesprächsbeteiligung gepasst hätte, vorbei. Manchmal fällt dir auch Tage später zum Thema noch etwas ein, wobei andere Menschen, sich manchmal gar nicht mehr an die Situation erinnern können.

Warum behalten Hochsensible ihre Gedanken oft für sich?

Oft geht dir auch während dieser Gespräche etwas durch den Kopf, was aus deiner Sicht, Sinn ergibt und vielleicht zur Lösung eines möglichen Problems beitragen könnte. Aber du denkst darüber nach, ob das vielleicht nur du so empfindest und es deine Gesprächspartne, als vielleicht nicht so klug ansehen könnten. Also behältst du deine Gedanken für dich und dann sagt genau das, was dir durch den Kopf ging, eine andere Person. Für dich vermeintlich ganz ohne vorherige Grübelei oder Selbstzweifel.

Innerhalb der oben beschriebenen Beispiele, bist du die ruhige, zuhörende und auf andere Menschen eher passiv wirkende Person. Das du überhaupt nicht passiv bist, könn(t)en Gesprächspartner daran sehen, dass du die sprechenden Menschen direkt ansiehst.

Du bist in diesem Moment fokussiert und nimmst alles auf, was und wie es gesagt wird.

Ich habe das bei vielen hochsensiblen Personen beobachten können.

Das Interessante ist, während hochsensible Menschen sprechen, scheint ihr Blick im Außen zu suchen und huscht meist hin und her.

Besonders gut ist das in Einzelgesprächen zu beobachten, in denen vermutlich auch du, durchaus redselig sein kannst. Fühlst du dich wohl und sicher, ist es für dich leichter, dich zu öffnen und (in der Wahrnehmung anderer Menschen) aktiv teilzunehmen. Außerdem halten sich natürlich die Reize und der Input von außen, während des Gespräches mit nur einer anderen Person, in Grenzen.

Deine Aufmerksamkeit liegt in der Hauptsache bei deinem Gegenüber.

Es gibt aber auch Bereiche, in denen es sogar Priorität hat, vorwiegend zuzuhören, mit Bedacht zu sprechen und eine ruhige Atmosphäre zu schaffen. Oft sind in diesen Bereichen auch hochsensible Personen anzutreffen und sehr geschätzt. Es sind meist beratende, seelsorgerliche oder andere soziale Tätigkeiten. Hierbei ist es wichtig, sich selbst zurückzunehmen, auf das Gegenüber einzugehen und im Gespräch ruhig und überlegt zu agieren.

Es kommt eher niemand auf die Idee, mehr Redezeit oder ganz spontane Antworten zu erwarten.

In erster Linie kommt es auf das offene Ohr und eine angenehme, manchmal auch zurückhaltende Ausstrahlung an.

Ich habe mit vielen hochsensiblen Menschen über dieses Thema gesprochen und kenne das selbst auch sehr gut. Oft wurde mir gesagt, dass man das vorwiegende, aktive Zuhören, wie oben schon kurz erwähnt, selbst als nicht unangenehm empfindet. Man fühlt sich erst dann nicht mehr wohl, wenn man bemerkt, es wird etwas anderes erwartet.

Warum Hochsensible nur eine zuhörende Rolle einnehmen, zwei Frauen am Strand

Hochsensible und Smalltalk

Die meisten normalsensiblen Menschen können mit einer ruhigen Art oder gar Schweigen nicht gut umgehen, es ist merkwürdig für sie und viele können das nicht einordnen und auch nicht aushalten.

Unter anderem aus diesem Grund, wird oft der sogenannte „Smalltalk“ geführt. Bevor man gar nichts sagt, spricht man über das Wetter oder andere unverfängliche Dinge.

Allerdings ist die aktuelle Wetter- oder Verkehrssituation für hochsensible Menschen meist absolut unwichtig und belanglos, dass es sich aus unserer Sicht nicht lohnt, darüber zu sprechen.

Smalltalk ist oft verschwendete Energie.

Wir können aber von Menschen, die diesen Smalltalk gut beherrschen, lernen, ihn zumindest als Türöffner zu nutzen. Früher war ich selbst absolut unfähig, Smalltalk zu führen. Aber ich habe es über zwei Wege gelernt:

  • Bei der Gassi-Runde im Ort mit meinem Hund. Dabei bin ich vielen Menschen begegnet, die alle mehr oder weniger ein Hundethema hatten, so bin ich schneller ins Gespräch gekommen. Auch manchmal nur über das Wetter, weil mein Hund z.B. bei Regen nicht gerne spazieren ging. In diesem Fall war mein Hund der Türöffner, der manchmal auch den Weg in ein intensiveres Gespräch ebnen konnte.
  • Der zweite Weg war meine Arbeit in der örtlichen Schiedsstelle. Denn hier ging es um die schwierigen Themen der Ratsuchenden und dafür war ein Türöffner notwendig. Dieser führte über ganz belanglose Dinge, damit die Menschen ihre Aufregung ablegen und sich selbst öffnen konnten.

Dieser Smalltalk war natürlich für mich weiterhin unwichtig und verlangte mir einiges ab, aber für andere Menschen hat er den Unterschied ausgemacht. Danach waren wieder meine Fähigkeiten als (aktive) Zuhörerin gefragt. Quasi eine Win-Win-Situation.

Auch im oben beschriebenen beruflichen Kontext, in dem es nicht um Smalltalk, sondern um tiefgreifende Themen geht, kannst du versuchen, dir und deinen Überlegungen mehr zu vertrauen. Besonders, wenn du die Erfahrung gemacht hast, dass deine Gedanken oft von anderen Personen ausgesprochen werden.

In Besprechungen, in denen du verbal nichts beitragen möchtest, könntest du für dich, das Gehörte mitschreiben.

Das verschont dich vielleicht von unangenehmen Fragen und besänftigt die Personen, die das Gefühl haben, du seist nur passiv anwesend. Manchmal kann das Aufschreiben auch deinem Kopf helfen, die Gedanken zu sortieren.

Warum Hochsensible nur eine zuhörende Rolle einnehmen, Teambesprechung am Bürotisch

Hochsensible schätzen tiefgründige Gespräche

Was kann man zusammenfassend nun sagen? Als allererstes möchte ich dir Mut zusprechen. Du kannst sicher sein, andere Menschen schätzen deine Art zuzuhören, deine Aufmerksamkeit und deine durchdachten, nuancierten Äußerungen. Man kann sich nicht vielen Menschen gegenüber gut öffnen und tiefe, intensive Gespräche führen.

Aber warum bist du nun so ruhig, besonders wenn du eigentlich gern tiefe Gespräche führst?

Diese tiefen Gespräche kosten natürlich Energie und so ist das Zuhören manchmal auch ein Energiesparmodus, was absolut nicht bedeutet, dass du Gesprächen nicht folgen kannst oder willst. Dein Gehirn arbeitet auf Hochtouren, auch wenn du nicht sprichst.

Viele Hochsensible berichten auch von ihrer „sozialen Batterie“, die eben auch durch tiefe Gespräche, aber tatsächlich auch durch Smalltalk, an Leistung verliert. Man hat dann das Gefühl keine Worte mehr zu haben und ist wie „leergeredet“.

Was passiert in deinem Kopf, auch wenn du „nur“ eine zuhörende Rolle einnimmst?

Du hörst nicht nur das Gesagte. Du achtest auf die anderen Gesprächsteilnehmer, nimmst die Stimmungen wahr und auch die Zwischentöne, die niemand ausspricht. Du sortierst deine Gedanken und wägst deine Argumente gegen die der anderen ab. Die weiteren alltäglichen Außenreize, die dann noch zusätzlich und gleichzeitig verarbeitet werden, will ich erst gar nicht aufzählen.

Wie verhalten sich Hochsensible beim Telefonieren?

Wie verhalten sich Hochsensible eigentlich beim Telefonieren, wo sie ja meist nicht nur zuhören können?

Viele hochsensible Menschen telefonieren tatsächlich nicht gern und tun dies auch nicht, wenn es sich vermeiden lässt.

Ich bin da keine Ausnahme, obwohl ich als Telefonberaterin bei der „Nummer gegen Kummer e.V. gearbeitet habe. Aber wie oben kurz beschrieben, bestand die Aufgabe primär im Zuhören, Beruhigen und in einer sanften Kommunikation.
Privat schreibe ich lieber Nachrichten und Mails und auch beruflich werde ich von hochsensiblen Menschen eher nicht angerufen, sondern angeschrieben.

Warum sich zuhörende Hochsensible in Gesprächen nicht unwohl fühlen

Fühlen sich Hochsensible in Gesprächssituationen unwohl, an denen sie sich nicht verbal beteiligen? Die meisten hochsensiblen Menschen verneinen das. Der Kopf und alle Sinne nehmen ja teil und das wahrscheinlich in größerem Ausmaß, wenn auch für andere unverständlich und nicht gut ersichtlich.

Als hochsensible Personen sind wir meist damit zufrieden, einfach nur zuzuhören und nicht den Erwartungen von Außen entsprechen zu müssen.

„Wenn Reden Silber und Schweigen Gold ist, dann ist Zuhören Platin.“ Andrzej Majewski

In diesem Sinne … alles Liebe für dich!

Anke

Anke Römer, Fachberaterin für Hochsensibilität, www.anke-roemer-mutmacherin.de, Netzwerkmitglied für 04420 Markranstädt (D)

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Warum sagen viele Hochsensible in Gesprächen wenig, obwohl sie interessiert sind?

Weil sie während des Gesprächs viele Informationen gleichzeitig verarbeiten: Inhalte, Zwischentöne, Körpersprache, innere Gedanken und mögliche Reaktionen. Oft denken sie so lange über passende Worte nach, dass der Moment für den Beitrag bereits vergangen ist. Dennoch sind sie innerlich sehr aktiv und aufmerksam.

Fühlen sich hochsensible Menschen unwohl, wenn sie nur zuhören?

Nein, meist nicht. Viele Hochsensible empfinden das Zuhören nicht als unangenehm, sondern als erfüllend. Unwohlsein entsteht eher dann, wenn andere erwarten, dass sie mehr reden müssten. Solange sie sich verstanden fühlen, genießen sie oft die Rolle der stillen Beobachtenden.

Warum fällt Hochsensiblen Smalltalk schwer?

Weil belanglose Gespräche für sie wenig Bedeutung haben und schnell als oberflächlich oder energieraubend empfunden werden. Trotzdem können Hochsensible lernen, Smalltalk als Türöffner zu nutzen, zum Beispiel in beruflichen Kontexten oder beim ersten Kennenlernen.

Was geschieht im Kopf Hochsensibler, während sie zuhören?

Sie analysieren das Gesagte, nehmen Zwischentöne wahr, beobachten die Gesprächspartner, wägen eigene Argumente ab und reflektieren über Wirkung und Reaktionen. All das passiert gleichzeitig – ein Grund, warum sie äußerlich ruhig, innerlich aber hochaktiv wirken.

Warum telefonieren viele Hochsensible ungern?

Weil sie beim Telefonieren keine nonverbalen Signale wahrnehmen können, die ihnen normalerweise helfen, Gespräche einzuordnen. Viele bevorzugen deshalb schriftliche Kommunikation, bei der sie Zeit zum Nachdenken haben und weniger Reize gleichzeitig verarbeiten müssen.

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